Meineid-Verdacht gegen sieben Zeugen aus dem Högel-Prozess. Ist das eigentlich normal?

Ja, es ist normal, dass der Veracht des Meineids auch zu einem entsprechenden Ermittlungsverfahren führt. Schließlich ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet einzuschreiten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Wenn also der Anfangsverdacht besteht, dass ein Zeuge eine falsche Aussage gemacht und dann anschließend geschworen hat, dass diese Aussage wahr ist, dann muss die Staatsanwaltschaft den Verdacht des Meineids aufklären.

Aber natürlich ist es nicht normal, dass in einem einzigen Verfahren gleich sieben Zeugen unter Meineid-Verdacht geraten. Das liegt daran, dass Zeugen normalerweise überhaupt nicht vereidigt werden und sich folglich zwar wegen einer uneidlichen Falschaussage, aber eben nicht wegen Meineid verdächtig und auch strafbar machen können. Die Strafprozessordnung sieht die Vereidigung von Zeugen nur ausnahmsweise in zwei Fällen vor: Entweder hat die Aussage ausschlaggebende Bedeutung, z.B. weil Aussage gegen Aussage steht und keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen.  Oder das Gericht hält die Vereidigung für erforderlich um eine wahre Aussage herbeizuführen. Damit ist gemeint: Wenn das Gericht wie bei verschiedenen Zeugen im Fall Högel den Eindruck hat, dass die Wahrheit verfälscht oder verschwiegen und „herumgeeiert“ wird, aber meint, dass der Zeuge unter dem Eindruck des Eides doch noch die Wahrheit sagt, kann der Zeuge vereidigt werden. Zuvor muss der Zeuge erneut über seine Pflichten und insbesondere auch über die Bedeutung des Eides belehrt werden. In der Praxis führt das dazu, dass viele Zeugen ihre ursprüngliche Aussage noch korrigieren oder ergänzen, so dass es gar nicht mehr zu einer Vereidigung kommt.

Wieviele Straverfahren wegen Meineids gibt es denn normalerweise? Und müssen die Verurteilten wirklich  mindestens ein Jahr ins Gefängnis?

In der neuesten Polizeilichen Kriminalstatistik sind für 2017 insgesamt 85 Verdachtsfälle des Meineids erfasst. In demselben Jahr wurden der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Statistik zur Strafverfolgung zufolge 72 Personen wegen Meineids verurteilt und weitere 12 Personen vom Vorwurf des Meineids freigesprochen. Zum Vergleich: Insgesamt ergingen gegen 694.566 Personen Strafurteile. Würde man die Verkehrsdelikte hinzurechnen, wären es sogar 875 194.

Von den 72 wegen Meineid Veurteilten erhielten nur 11 eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr. Davon erhielten zehn eine Bewährungsstrafe. Nur in einem Fall lag die Freiheitsstrafe über zwei Jahren und konnte deshalb nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. In 12 Fällen hat das Gericht sogar nur eine Geldstrafe verhängt.

Wieso wird behauptet, die Strafe für Meineid sei mindestens ein Jahr, wenn das am Ende gar nicht stimmt?

Das Strafgesetz droht für den Meineid eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr an. Darüber müssen alle Zeugen belehrt werden. Was dann später im Einzelfall wirklich geschieht, wenn es zu einem Strafverfahren wegen Meineids kommt, ist noch einmal eine ganz andere Frage.

Beispielsweise gibt es auch beim Meineid sog. minder schwere Fälle. Dann beträgt die Mindeststrafe nicht ein Jahr, sondern sechs Monate Freiheitsstrafe. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Zeuge nicht richtig belehrt worden ist. Nach einer weiteren Vorschrift kann das Gericht die Strafe auch mildern, wenn der Zeuge sich in einer Zwangslage, einem sog. Aussagenotstand, befand. Dies ist der Fall, wenn ein Zeuge die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder sich selbst die Gefahr abzuwenden, wegen einer vorher begangenen Straftat bestraft zu werden.

Dies käme im Fall Högel in Betracht, wenn die Zeugen Angst hatten, selbst wegen Totschlags durch Unterlassen oder fahrlässiger Tötung belangt zu werden und deshalb tatsächlich einen Meineid geschworden haben. Die Mindeststrafe für einen solchen im Aussgenotstand begangenen Meineid beträgt sogar nur noch drei Monate Freiheitsstrafe. Kurze Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten sind aber nur ausnahmsweise zulässig und werden meistens in Geldstrafen umgewandelt.